Brauchtum am Bau – Rituale von Spatenstich bis Dachgleiche
Bauen ist mehr als nur Technik und Planung – es ist auch Tradition. Seit Jahrhunderten begleiten Rituale und Bräuche den Bau von Häusern, vom feierlichen ersten Spatenstich bis hin zur Dachgleiche. Sie sollen Glück bringen, Schutz für die zukünftigen Bewohner spenden – und oft auch einfach ein guter Anlass zum gemeinsamen Feiern sein.
Wir haben euch ein paar spannende Hintergründe und alte Bau-Traditionen zusammengetragen:
Grundsteinlegung – bevor es richtig losgeht:
Der Spatenstich geht oft mit der Grundsteinlegung einher. Diese hat ebenfalls eine lange Tradition und war schon im alten Ägypten bekannt. In den hohlen Stein wurde und wird häufig eine „Zeitkapsel“ aus Metall oder Holz eingemauert. Darin finden sich private Gegenstände wie Fotos der Baufamilie, Glücksbringer und Münzen, aber auch eine aktuelle Tageszeitung oder Baupläne des Hauses. Ist der Grundstein gesetzt, schlagen Bauherrin oder Bauherr mit einem Hammer auf den symbolträchtigen Stein.
Spatenstich – Ritual aus alten Zeiten:
Mit dem Spatenstich beginnt das Bauvorhaben. Er stammt aus einer Zeit, als die Baugrube tatsächlich mit Schaufeln und Hacken ausgehoben wurde. Heute hat der Spatenstich nur noch symbolischen Charakter und wird in erster Linie bei öffentlichen Gebäuden unter anwesender Prominenz zelebriert. Es gibt aber auch private Häuslbauer, die – bevor die Bagger auffahren – ihr Grundstück quasi in Besitz nehmen, indem sie eine Schaufel voll Erde ausheben. Früher fand der Spatenstich oft am Samstag statt, damit man sich am Sonntag ausruhen konnte und die Veranstaltung durch den nachfolgenden „heiligen“ Sonntag noch mehr Gewicht bekam.
Firstfeier – ein Dank an die Helfer:
Mit der Firstfeier – auch Richtfest genannt – geht ein wichtiger Bauabschnitt zu Ende: Der Dachstuhl sitzt auf dem Haus, der Rohbau ist fertig. Handwerker, Bauherrn und Nachbarn kommen zusammen um diese Ereignis zu feiern. Der Zimmerer spricht einen Segensspruch und setzt einen kleinen, mit bunten Bändern geschmückten Baum auf den Dachfirst. Immer vorausgesetzt, das Grün wird nicht vorher gestohlen: Die Diebe – meist Nachbarn, Freunde oder Vereine – lassen sich ihre Beute dann mit Bier abkaufen. Weil Scherben bekanntlich Glück bringen, wird bei der Firstfeier mit Schnaps angestoßen, dann werden die Gläser mit Schwung zu Boden geworfen. Tradition hat auch, dass die Bauherrin oder der Bauherr den letzten Nagel in den obersten Balken im Dachstuhl einschlägt – und das möglichst gerade, denn ein krummer Nagel soll Unglück bringen.
Brot und Salz – Geschenk zum Einzug:
Ist das Haus erst einmal bezogen, gibt es weitere Rituale, um Glück und gute Geister anzulocken. Eines der geläufigsten ist, Brot und Salz zur Einweihungsfeier mitzubringen. Salz war über Jahrtausende ein ebenso rares wie wertvolles Gut, das zugekauft werden musste und als Abwehrmittel gegen das Böse galt. Brot ist das Nahrungsmittel schlechthin. Beides zusammen sollte die Hausbewohner symbolisch vor Hunger und Not schützen.
Hausbaum – Wächter des Glücks:
Weithin sichtbar ist dieser Beschützer: der Hausbaum – oft eine Linde, ein Ahorn oder ein Apfelbaum. Er soll seine Bewohner vor Unheil bewahren und sie im wahrsten Sinn des Wortes mit ihrer neuen Heimat verwurzeln. Hinter sogenannten Haussegen – kleinen Ziergegenständen aus Holz, Stoff oder Glas- steht ebenfalls der Schutzgedanke und der Wunsch nach Glück und Segen. Bestickte Wandtücher, kleine Dosen, Hinterglasbilder oder geschnitzte Heiliggeisttauben und Kreuze dienen diesem Zweck und schmücken bis heute die Wohnzimmer.